24. Juni 2012

Marginalie: Der "Marsch für das Leben", die Deutsche Bahn und eine feministische Ereiferung. Wo endet die Demokratie?

An sich eine Lappalie; eine feministische Ereiferung. Bemerkenswert wird sie dadurch, diese Ereiferung, daß sie dem Ressort "Wirtschaft" von "Sueddeutsche.de" einen zweiseitigen Artikel wert ist.

In diesem Artikel von Hannah Beitzer, der am Freitag erschien, findet man das folgende Zitat:
"Es ist schade, was heute alles unter 'Demokratie' und 'freiheitlich' subsumiert wird, in diesem Fall Homophobie und ein Angriff auf die Selbstbestimmungsrechte von Frauen."
Die das laut "Sueddeutsche.de" so formulierte, ist Magda Albrecht, die den feministischen Blog "Mädchenmannschaft" betreibt (laut Eigenwerbung 2009 sowohl für den "Grimme Online Award" als auch für den "Deutschen Medienpreis" nominiert).

Worum geht es?

Auch dieses Jahr findet in Berlin wieder die Veranstaltung "Marsch für das Leben" statt; veranstaltet von konservativen Lebensschützern, die sich gegen die Abtreibung wenden. Respektable Leute, deren letztjährige Veranstaltung Grußworte beispielsweise von Volker Kauder, Annette Schavan und Ronald Pofalla erhielt. Ihr Anliegen beschreiben sie folgendermaßen:
Der Marsch für das Leben steht unter dem Motto:
Ja zum Leben – für ein Europa ohne Abtreibung und Euthanasie!
Jeder Mensch ist gleich wertvoll, unabhängig von Eigenschaften und Umständen.

Menschenrechte gelten für alle – auch für ungeborene Kinder. Abtreibung löst keine Probleme, sondern schafft neue. Wir fordern Schutz und wirksamere Hilfen für Schwangere und Familien in Not. (...)
Auf diesen Marsch bezieht sich die Aussage von Magda Albrecht. Genauer: Auf die Anreise der Teilnehmer.

Wie bei anderen derartigen Veranstaltungen bietet die Deutsche Bahn eine verbilligte Anreise an. Sie tut das logischer­weise nicht in der Absicht, die betreffende Veranstaltung zu subventionieren, sondern, wie auch sonst bei Rabatten, aus wirtschaftlichen Gründen.

Infolgedessen spielt es für die DB keine Rolle, um welche Art von Veranstaltung es sich handelt; ausgenommen sind lediglich Veranstaltungen, "bei denen die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage gestellt wird". So kann man es in einer Stellungnahme der DB lesen.

Gegen diesen Rabatt nun polemisierte Magda Albrecht am vergangenen Donnerstag in ihrem Blog; und das liest sich so:
Der in diesem Jahr in Berlin geplante "Marsch für das Leben" findet am 22. September 2012 statt. Und damit die so ge­nannten "Lebens­schützer" (haha, welch' Ironie!) auch alle schön zahl­reich und preis­wert nach Berlin kommen, können sie ein Spezial-Angebot der Deutschen Bahn nutzen. Oh ja, richtig gelesen! (...)

Ich kritisiere, dass die Deutsche Bahn extreme Abtreibungs­gegner_innen von "Marsch für das Leben" (marsch-fuer-das-leben.de) Bahn-Tickets mit "Sonder­preis" zur Verfügung stellt und eine Demonstration gegen Abtreibungs­rechte damit (zumindest indirekt) unterstützt. (...) Ver­günstigte Preise wünsche ich mir ins­besondere für Menschen, die auf feministische Demos fahren und für Abtreibungs­rechte kämpfen.
Am Ende des Artikels gibt es für Beschwerden eine Telefonnummer der DB, Adressen bei Twitter und Facebook sowie eine Email-Adresse der zuständigen Service-Abteilung der DB.



In diesem Fall war der Druck, den man auf die DB auszuüben versucht, (bisher jedenfalls) nicht erfolgreich. Anderswo schon. Am Freitag brachte der Blog "Mädchenmannschaft" einen Artikel über eine Kampagne gegen die Lufthansa. Dabei war es um Werbung für eine "Woman's Special Partnerkarte" gegangen, die "Miles-and-More"-Kunden bei der Lufthansa erwerben können. Einen ausführlichen Bericht über diese Kampagne hat Rayson in B.L.O.G. geschrieben.

Wie vergangenen Sonntag in Sueddeutsche.de zu lesen war, hat sich die Lufthansa für die Kampagne inzwischen entschuldigt und versprochen, sie zu ändern. Auch dieser Artikel erschien wieder im Ressort "Wirtschaft". Denn das ist die eine Seite solcher Kampagnen: Ihre Erfolgschance liegt darin, daß Unternehmen keine negative Publicity haben wollen. Feministinnen können diese mit einer Kampagne leicht erzeugen. Also wird oft gekuscht.

Die andere Seite ist das, was Magda Albrecht unter Freiheit und Demokratie versteht. Für die Anreise zu "feministische[n] Demos" verlangt sie "vergünstigte Preise". Menschen, die gegen Abtreibungen protestieren, soll eine solche Vergünstigung verwehrt werden.

"Es ist schade, was heute alles unter 'Demokratie' und 'freiheitlich' subsumiert wird", äußerte Frau Albrecht. Entlarvender kann man es kaum formulieren. Freiheit ist aus ihrer Sicht offenbar nur die Freiheit derer, die ihre eigene Meinung teilen. Die Demokratie endet für sie dort, wo jemand Auffassungen vertritt, mit denen sie nicht übereinstimmt.­

Das ist die Art von Freiheit und Demokratie, wie sie beispielsweise auch im Iran herrscht, oder in der Republik Kuba.
Zettel



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